Let‘s talk about sex



Also schön, alle tun‘s, dann tun wir‘s hier jetzt eben hier auch mal: über Sex reden. Kanarischen Sex natürlich. Der Anlass dafür sind nicht die Dünen von Maspalomas, um die sich ja diesbezüglich reichlich Urlauberlegenden ranken. (Ich frage mich übrigens immer, wie viel davon eigentlich Wahrheit und wie viel reine Fantasie ist - wir zumindest haben bei unseren zahlreichen Spaziergängen dort bisher zwar reichlich sonnenbadende Nudisten angetroffen, aber bisher noch kein einziges Paar beim Schäferstündchen. Vielleicht gehen wir aber auch immer zu den falschen Zeiten spazieren.)

Was mich auf das Thema gebracht hat, war vielmehr eine Facebook-Konversation mit einem deutschen Freund letzte Woche: Ich hatte auf meiner Seite ein Foto von einem Restaurantbesuch an der Playa las Canteras in Las Palmas gepostet, und dazu geschrieben: „Un sitio espectacular, comida de puta madre y compañía excelente - ¿qué más se puede pedir? Gracias, Mireia y Isaac, una tarde muy especial con vosotros!“ Eigentlich wollte ich damit nur sagen, dass mir das Mittagessen mit unseren Freunden Isaac und Mireia in besagtem Restaurant supergut geschmeckt hat und ich die Lage des Restaurants (Dachterrasse im achten Stock mit atemberaubendem Ausblick über Las Canteras, Meer und die Stadt) spektakulär fand; mehr hatte ich mir dabei gar nicht gedacht. Bis mein Freund Rainer sich über die automatische Übersetzung dieses eigentlich völlig harmlosen Textes ins Deutsche amüsierte, die ihm Facebook geliefert hatte: „Fragen eine spektakuläre Website, Essen ficken und große Unternehmen - kann was mehr für? Vielen Dank, Mireia Isaac und einen ganz besonderen Abend mit Ihnen!“ Da kann man dann schon ins Grübeln kommen, was die Frau Psychologin um Himmels Willen denn in ihrer Freizeit wohl so treibt auf Gran Canaria ...

Bevor also wilde Gerüchte hinsichtlich vermeintlicher Gruppensexpartys, die wir hier - auch noch während des Essens!! - feiern, womöglich aus dem Ruder laufen, dachte ich, ich verliere hier besser noch mal ein paar Worte über spanische Kraftausdrücke im Allgemeinen und im Besonderen. Denn was den automatischen Übersetzer wohl ins Trudeln gebracht hat, war meine Bemerkung über die „comida de puta madre“, was wörtlich übersetzt tatsächlich „Hurenmutter-Essen“ bedeuten würde. Das soll aber nicht heißen, dass in besagtem Restaurant eine Bordell-Inhaberin am Herd stehen würde - gebraucht wird dieses „de puta madre“ in Spanien eher im Sinne von „hurenmutter-gut“, also „toll“, „super“, „geil“. Es wäre mal interessant, die etymologischen Wurzeln dieses Ausdrucks zu ergründen - haben Puffmütter in Spanien vielleicht früher besonders gut gekocht? Oder grundsätzlich südeuropäische Puffmütter? (In Italien gibt es ja auch ein besonders leckeres Spaghettigericht mit dem schönen Namen „alla puttanesca“ - nach Hurenart.)

So auf die Schnelle habe ich nichts dazu gefunden; aber das Ganze hat mich zum Nachdenken über das Thema spanische Flüche und Kraftausdrücke im Vergleich zu deutschen angeregt. Und was mir dabei auffiel: Bei den Spaniern geht es sehr viel mehr um Sex als bei uns (im Deutschen sind wir fluchtechnisch eher fäkalorientiert, scheint mir - „Scheiße!“, „Arsch!“, „Kacke!“, „Mist!“ etc. etc.). Spanier sagen zwar schon auch mal „¡mierda!“, wenn sie sich mit dem Hammer auf den Daumen hauen, aber sehr viel häufiger wird man sie „¡joder!“ fluchen hören - was die direkte Entsprechung des englischen „fuck!“ ist. Die schon erwähnte „puta“ spielt auch ansonsten eine große Rolle beim Fluchen: „¡Qué putada!“ heißt so viel wie „So eine Scheiße!“; und wer jemanden richtig derb beleidigen will, nennt ihn (oder sie) einen hijo de puta bzw. eine hija de puta (Hurensohn bzw. -tochter).

Auch ansonsten dreht sich beim Schimpfen hier viel um die Genitalien, männliche wie weibliche. „¡Coño!“ zum Beispiel ist eine Interjektion, die bei leidenschaftlich geführten Diskussionen gefühltermaßen in jedem dritten Satz mindestens einmal ausgestoßen wird. Am ehesten lässt sich das mit unserem „verdammt!“ übersetzen (und zwar sowohl positiv - im Sinne von: „verdammt, ist das gut!“ - als auch negativ); aber die wörtliche Bedeutung lautet eigentlich „Möse“. Als Beleidigung wird das hier niemand empfinden, eher ist es mittlerweile so eine Art Füllwort geworden. Und wo wir gerade bei den weiblichen Geschlechtsteilen sind: „¡No me toques los ovarios!“ - „Lass meine Eierstöcke in Ruhe!“ - fauchen Frauen gerne, wenn sie sagen möchten: „Du gehst mir auf die Nerven!“ Das männliche Pendant dazu lautet folgerichtig: „Me estás tocando los cojones!“ - „Du gehst mir auf die Eier / auf den Sack!“ - das kennen wir ja im Deutschen so auch. Die Eier werden hier solitär - „¡Cojones!“ („Teufel auch!“ - „Donnerwetter!“) - übrigens auch einfach ebenso als genervte oder wütende Interjektion in den Satz eingestreut wie die schon erwähnte Möse, und zwar besonders gerne von gereizten Autofahrern angesichts völlig unfähiger anderer Verkehrsteilnehmer ... Aber auch bei diesem Ausdruck gibt es - ähnlich wie bei der Hure - wieder die Verkehrung ins absolute Gegenteil: das vom Wort cojones abgeleitete Adjektiv „cojonudo“ ist nämlich keineswegs abwertend, sondern bedeutet „spitze“ oder „geil“ - hodenhaft fantastisch sozusagen. Wie die Engländer verknüpfen auch die Spanier auch gerne ihr maskulines Gehänge sprachlich direkt mit dem Thema Mut: „¡No tiene huevos!“ bedeutet wörtlich zwar, dass jemand keine Eier hat, aber wie im Englischen auch ist damit eigentlich mangelnde Courage gemeint. „¡Manda huevos!“ oder auch „¡Manda cojones!“ könnte man wohl am ehesten mit „Ach du Scheiße!“ oder „Das darf doch nicht wahr sein!“ übersetzen.

Eine nette Anekdote übrigens: Dem Vernehmen nach soll König Juan Carlos I. einmal bei einem Besuch in Navarra die dort angebauten, besonders dicken und köstlichen Spargelstangen bei einem Bankett mit einem begeisterten „¡cojonudos!“ gelobt haben. Woraufhin der clevere Spargelhersteller wohl spontan beschloss, ein königlicher Kraftausdruck sei ohne Zweifel das bestmögliche Marketing - und seither werden die extradicken Navarra-Spargel tatsächlich ganz offiziell als „Cojonudos“ eingedost. Was auch schön veranschaulicht, dass der Ausdruck, ursprünglich eigentlich mehr als derb, mittlerweile ohne Zweifel gesellschaftsfähig ist ...

cojonudos

Aber in Sachen Sex wird ja nicht nur viel herumgeflucht auf den Kanaren, nein, es wird auch wirklich viel Sex praktiziert. Also, jedenfalls stelle ich mir das so vor. Wie anders wäre die Omnipräsenz von Sexspielzeugen und sexuellen Hilfsmitteln aller Art zu erklären? Da geht man nichts ahnend in einen ganz normalen, sogar ein bisschen angestaubten kleinen Supermarkt in einem winzigen Fischerörtchen, um seine Milchvorräte aufzufüllen, und dann steht man schamrot in der Kassenschlange und versucht verzweifelt, irgendwo anders hinzuschauen als auf das Regal in der „Quengelzone“, auf dem in Deutschland anständige Sachen wie Snickers oder Nimm2-Bonbons herumliegen und Eltern in die Bredouille bringen würden. Nicht so hier - stattdessen steht da ein Sortiment von quietschbunten Gleitgels in verschiedenen Farben, Duft- und Geschmacksrichtungen; mehrere Sets von Penisringen (in drei Farben, wegen der Abwechslung!) und eine nette Auswahl von Vibratoren in Augenhöhe herum. Direkt neben den Zigaretten und den Kondomen. Also alles, was man so braucht für einen entspannten Abend daheim! Jetzt versuche ich mir das mal in Deutschland vorzustellen, in einem ganz normalen Tante-Emma-Laden in Fuhlsbüttel oder einem kleinen Supermarkt in Hinter-Pfui-Teufel ... klappt aber nicht. Ich kann mich nicht erinnern, in Deutschland beim Einkaufen außerhalb eines Sexshops schon mal über einen Cockring mit Hirschgeweih (in lila!!!) gestolpert zu sein. Hier praktisch ständig. Im Supermarkt, in der Apotheke (da liegen die Dinger vorzugsweise in der durchsichtigen Auslage direkt vor der Kasse, flankiert nicht nur von den bereits erwähnten Gleitgels, Kondome und Vibratoren, sondern passenderweise auch noch von potenzsteigernden Mittelchen und angeblich erotisierenden Teemischungen). Und geht man gar in einen der ganz großen Supermärkte, z. B. den Carrefour, steht man staunend vor einem Riesen-Durex-Regal, das nichts anderes bietet als ... nun ja, das hatten wir ja schon. Glauben Sie nicht? Bitte, ich hab‘s extra fotografiert!

durex

Jetzt zeigen Sie mir mal den Supermarkt in Deutschland (außer den von Beate Uhse!), der eine vergleichbare Auswahl im Angebot hat! Na? Sehen Sie! Die canarios nehmen die Sache mit dem Sex einfach wichtiger als wir, glaube ich. Oder liegt‘s an der hohen Arbeitslosigkeitsquote hier (mit irgendwas muss man den Tag ja rumbringen)? Jedenfalls ist auch die Dichte an centros psicológicos especializados en Sexología (jaja, das ist genau das, was Sie jetzt denken!) hier ungemein hoch (ein flüchtiges Durchblättern der gelben Seiten ergibt 12 solche Zentren allein in Las Palmas (Las Palmas hat 382.000 Einwohner, was bedeutet, dass dort ungefähr auf je 3180 Einwohner jeweils ein eigenes Zentrum für Sexualprobleme kommt ... ha, von so einer psychotherapeutischen Versorgungsdichte können wir in Deutschland aber nur träumen!).

Kurz gesagt: der canario lässt im Schlafzimmer lieber nichts anbrennen und ist da auch ganz unverkrampft: nicht nur, dass das diverse Sexspielzeug eben mal so neben Möhren und Schnitzel mit im Einkaufswagen landet, auch die centros de Sexología verstecken sich keineswegs hinter diskreten kleinen Türschildern, sondern werben hier mit großen Leuchtreklamen über ihrem Eingang um ihr Klientel. Besonders charmant fand ich übrigens eins, das an einer Straßenecke in Las Palmas etwas hinter dem Corte Inglés gelegen ist - und direkt gegenüber auf der anderen Straßenseite hat sich ein Sexshop mit allem, was man dann auch hier eventuell doch nicht im Supermarkt findet, etabliert. Das nenne ich mal Synergieeffekte nutzen ...

Ach so, und für diejenigen, die das alles eigentlich gar nicht wissen wollten, hier wenigstens noch der Restauranttipp: Es war das Restaurant „Summum“ im Hotel „Reina Isabel“ in Las Canteras, das mich zu besagtem enthusiastischen Kommentar auf Facebook hingerissen hat. Kann ich wirklich nur wärmstens empfehlen - entweder vor dem Sex oder auch danach. Essen muss man ja auch irgendwann ....