Die fünf größten Unterschiede zwischen spanischen und deutschen Freunden


Nachdem ich gerade wieder mal eine Woche auf „Heimatbesuch“ in Deutschland war und dort viele liebe Freundinnen und Freunde getroffen habe, ist mir bewusst geworden, dass es eine ganze Reihe von Unterschieden zwischen meinen deutschen und meinen spanischen Freunden gibt, die irgendwie auch typisch für die jeweilige nationale Mentalität sind (finde ich zumindest). Im Flugzeug nach Hause fing ich an zu sammeln, und hier sind jetzt meine ganz persönlichen Top 5 der Unterschiede zwischen deutschen und spanischen Freunden:

1. Verabredungen

Zum Thema (Un-)Pünktlichkeit unter Spaniern habe ich ja an anderer Stelle schon einiges geschrieben: irgendwie ist ihnen Pünktlichkeit - außer bei wirklich ganz wichtigen, meist beruflichen Terminen - genetisch scheinbar irgendwie nicht möglich. Und ansteckend ist diese Unpünktlichkeit auch noch, denn nach viereinhalb Jahren hier bin ich (von Hause aus eigentlich durchaus preußisch-pünktlich) schon fast genauso schlimm geworden. Ich muss mich mittlerweile richtig anstrengen, um irgendwo punktgenau aufzulaufen! Früher eine Selbstverständlichkeit, heute ein Akt höchster Konzentration und detaillierter Planung. Besonders schwierig dann, wenn ich - wie gerade eben - nach einer längeren Zeit in Spanien mal wieder nach Deutschland komme und dann dort ständig mit Leuten verabredet bin, die erwarten, dass ich exakt pünktlich auftauche. Die meisten deutschen Freundinnen, mit denen ich verabredet bin, kommen zuverlässig eine Viertelstunde zu früh zum Treffpunkt und schicken mir sodann ein Whatsapp mit der maximal stresserzeugenden Mitteilung „bin schon da!“. Dann treten sie zehn Minuten von einem Bein aufs andere und rufen spätestens fünf Minuten vor dem Termin noch mal bei mir auf dem Handy an, um sich zu vergewissern, ob ich jetzt auch wirklich gleich komme. Sämtliche spanischen Freundinnen dagegen rufen zuverlässig zwanzig Minuten nach der vereinbarten Uhrzeit an, um zu sagen, dass sie etwas zu spät dran sind, aber bestimmt in zehn Minuten am Treffpunkt sein werden. Um dann auch tatsächlich weitere fünfundzwanzig Minuten später abgehetzt vor mir zu stehen. Total gut zu berechnen, wenn man die Formel erst mal kapiert hat.
Überhaupt, Verabredungen. Robert Brault wird das Zitat zugeschrieben: „Ich schätze den Freund, der auf seinem Terminkalender immer noch Platz für mich findet. Noch lieber aber ist mir einer, der seinen Terminkalender bei mir gar nicht zu Rate zieht.“ Ich glaube, hier in Spanien hätten die meisten Leute Schwierigkeiten, den Sinn dieses Aphorismus‘ zu erfassen. Die berühmte südliche Spontaneität lässt mich nämlich gelegentlich daran zweifeln, dass die Hersteller von Terminkalendern hier umsatztechnisch überhaupt einen Fuß auf den Boden kriegen. Oder vielleicht hat man den Terminkalender auch nur zur Deko auf dem Schreibtisch liegen, keine Ahnung. Wahrscheinlich ist es im Geschäftsleben auch nützlich, einen zu besitzen, aber im Privaten - pffft! Verabrede ich mich mit deutschen Freunden, dann muss jedenfalls immer erst der Terminkalender zu Rate gezogen werden. Dann findet sich auch immer ein Termin, meist zwei oder drei Wochen im Voraus, gegebenenfalls durchaus auch langfristiger. Der wird dann auch bombenfest eingehalten, komme, was da wolle. Kurzfristige Verschiebungen werden ungern gesehen und haben in aller Regel das Geschmäckle von ein wenig Unzuverlässigkeit.

Mit spanischen Freunden private Verabredungen drei Wochen im Voraus zu treffen ist ein nahezu unmögliches Unterfangen. Schlägt man einen gemeinsamen Grillabend am übernächsten Wochenende vor, erntet man verstörte Blicke und unverbindliches Gemurmel. So weit in die Zukunft zu planen, scheint irgendwie undenkbar zu sein. Steckt ein tief sitzender Zweifel dahinter, dass man damit das Schicksal herausfordern und für diesen Tag dann womöglich Regen oder gar Krankheit heraufbeschwören würde? Oder ein grundsätzliches Unbehagen, sich langfristig auf eine Option festzulegen und damit so vielen anderen, möglicherweise noch auftauchenden, in diesem Moment schon adieu zu sagen? Keine Ahnung. Jedenfalls laufen Verabredungen mit Spaniern am besten und einfachsten „von zwölf Uhr auf Mittag“, wie meine Mutter gesagt hätte. Morgens anrufen oder ein Whatsapp schicken, ob man nicht abends gemeinsam etwas unternehmen will - das klappt immer. Seltsamerweise. Als von Natur aus eher planender und strukturierter Mensch kostet es mich immer noch etwas Mühe, mit diesen Ad-hoc-Dates umzugehen, sowohl aktiv als auch passiv. Ich habe mich immer noch nicht ganz daran gewöhnt. Aber nun ja, so allmählich werde ich lockerer diesbezüglich und fange an, mich auf diese Spontaneität einzulassen. Vereinfacht wird die Sache dadurch, dass man sich ja hier ohnehin selten bis nie irgendwo zuhause trifft, sondern meist ausgeht, siehe auch das Thema „Ausgehen“. Unaufgeräumte Wohnung oder fehlender Getränkevorrat ist also nicht das Problem.

2. Telekommunikation

Jede Freundin aus Deutschland meldet sich am Telefon - egal ob Festnetz oder Handy - erst mal mit „Hallo, hier ist ...“ So, wie ich das auch zu machen pflege, schließlich ist man ja höflich und gut erzogen. Die Zeiten von digitaler Rufnummernerkennung und Mobilfunknetzen haben da - zumindest in meiner Generation - nichts dran geändert. Ganz anders meine spanischen Freundinnen. Da nehme ich den Anruf an und werde sofort mit einem Wortschwall - in der Regel beginnend mit irgendwelchen liebevollen Zuneigungsbekundungen wie „¡hola cariño!“ - „¡hola linda Fe!“ - überschüttet. Entweder, ich erkenne an der Stimme, wer dran ist, oder ich muss aufs Display schielen und hoffen, dass mein Handy schlauer ist als ich. So oder so setzt die Anruferin voraus, dass ich selbstverständlich weiß, wer dran ist.

Auch die Verabschiedung am Telefon läuft anders. Den Spaniern wird ja allgemein eine höhere Emotionalität und mehr Temperament nachgesagt als den Deutschen, und nach etlichen Jahren hier kann ich das nur bestätigen. Alles ist irgendwie wärmer, herzlicher, überschwänglicher hier. Man kann ohne Zweifel darüber streiten, ob das nun nur oberflächlich so ist und keine echte Tiefe hat; das mag in manchen Fällen durchaus so sein. Ich messe jetzt dem „cariño“ oder „cielo“, mit dem die Bäckersfrau mich beim Brötchenkauf bedenkt, auch keine übermäßige Bedeutung bei. Aber ich finde es schon total goldig, wenn mir meine spanischen Freundinnen vor dem Auflegen regelmäßig versichern: „ya sabes que te quiero mucho, ¿verdad?“ Ich würde gerne mal das Gesicht meiner deutschen Freundinnen sehen, wenn ich beim Verabschieden plötzlich statt: „schön, dass du angerufen hast, bis bald dann!“ plötzlich „ich hab dich sehr lieb!“ zu ihnen sagen würde. Ich glaube, selbst wenn sie wüssten, dass das der Wahrheit entspricht, wären sie doch etwas erschüttert ob dieses expliziten Bekenntnisses!

Nicht mehr wegzudenken ist aus der Telekommunikation natürlich auch das unvermeidliche Whatsapp. Hier auf Gran Canaria sowieso nicht. Ich glaube, für die Spanier war das so ungefähr die tollste Erfindung seit der des Rades - endlich quatschen, was das Zeug hält, jederzeit und überall und ohne zu bezahlen. It ain‘t getting much better than that! Gewhatsappt wird mit kanarischen Freunden deswegen in einer Tour, quasi 24 Stunden lang, egal, ob es etwas zu sagen gibt oder nicht. Ich whatsappe, also bin ich. Das móvil ist für einen Spanier ja sowieso so was wie die Nabelschnur zur Welt, wenn der Akku mal leer ist, kriegt er sofort Schnappatmung und Panikattacken, er könnte ja was versäumen. Und Whatsapp sichert nun mal die bedenken- und kostenlose Dauerkommunikation mit dem gesamten Freundeskreis - gerne auch in Gruppenchats, da kann man dann immer gleich zehn Personen auf einmal darüber informieren, was für einen bocadillo man gerade zu Mittag isst und wie hoch der aktuelle Benzinpreis an einer bestimmten Tankstelle ist. Meine deutschen Freundinnen schicken mir zwar auch Whatsapps, aber dann, wenn es wirklich etwas mitzuteilen gibt; eine Terminabsprache für einen Grillabend in drei Wochen vielleicht oder eine Frage. Gelegentlich schon auch mal ein witziges Video oder ein lustiges Katzenbild, aber eher selten. Man müllt einander nicht mit Unwichtigem zu, das Leben ist eine ernste Sache und wir haben alle viel zu tun. Meine spanischen Freundinnen whatsappen dagegen ungehemmt rund um die Uhr - wenn ich vergesse, das Handy abends auf stumm zu schalten, dann quiekt es auch gern mal um drei Uhr morgens. Dann schieße ich entsetzt aus dem Bett, weil ich denke, es ist etwas passiert. Aber nein, es ist nur das Video von einem Dreirad fahrenden Waschbären, mit dem mich eine wohl von Schlaflosigkeit Geplagte dringend erfreuen musste. Gähn.

3. Körperkontakt

Nicht nur verbal, auch in Sachen Körperkontakt unterscheiden sich deutsche und spanische Freundschaften deutlich voneinander. Meine deutschen Freunde nehmen mich, wenn wir uns sehen, in der Regel bei der Begrüßung und beim Abschied jeweils einmal sehr herzlich in den Arm. Das reicht ihnen (und mir), um ihre Zuneigung zu bekunden.

Spanische Freundinnen dagegen suchen während des Zusammenseins mehr oder weniger dauernd den Körperkontakt, als wollten sie sich immer wieder auch auf diesem Weg der gegenseitigen Verbundenheit und der Anwesenheit der anderen versichern. Ständig hat man da eine Hand auf dem Arm, einen Arm um die Schulter, bekommt die Wange gestreichelt oder wird an die Hand genommen. Ein bisschen gewöhnungsbedürftig zu Anfang für jemanden, der im doch eher körperkontaktscheuen Deutschland aufgewachsen ist, aber nach einer Weile sehr nett und angenehm, wie ich finde. Ich erwische mich schon selber dabei, dass ich das auch zunehmend in Gesprächen mache. Ich bin aber froh, dass ich zumindest aus Süddeutschland komme - ich könnte mir vorstellen, dass man als deutsches Nordlicht mit diesen ständigen Einbrüchen in die eigene Intimzone auch seine liebe Not haben kann.

4. Höflichkeit

Selbst von den nicht so zart besaiteten Amerikanern wird uns Deutschen ja häufig eine gewisse „bluntness“ attestiert - eine Direktheit und Offenheit, die mancherorts geradezu als Unhöflichkeit oder Grobheit wahrgenommen wird. Den Spaniern muss das eigentlich noch stärker auffallen, möchte ich meinen, denn hier geht man extrem lieb und freundlich miteinander um. Komplimente und Nettigkeiten werden ausgestreut, wo es nur geht, selbst die dreiundneunzigjährige Oma, die ihr Gebiss leider daheim auf dem Nachttisch vergessen hat, wird erst mal mit „¡hola guapa!“ - hallo, meine Hübsche! - begrüßt. Und das ist keineswegs ironisch gemeint! Unter Freundinnen versichert man sich, sobald man sich länger als zwei Stunden nicht gesehen hat, unbedingt als erstes gegenseitig, wie hervorragend man aussieht und dass man wohl schon wieder abgenommen hat?! Und selbstverständlich steht einem immer alles, was man anhat, ganz ausgezeichnet. Eine spanische Freundin nach einer ehrlichen Meinung darüber zu fragen, ob man wirklich diesen mauvefarbenen Hosenanzug aus Ballonseide tragen kann, kann man sich schenken - selbstverständlich kann man, sogar sehr gut! Problemlos auch mit kanariengelber Zipfelmütze dazu. Gar keine Frage! Eher würde sich besagte Freundin nämlich die Zunge abbeißen, als Kritik in irgendeiner Form zu üben. Das betrifft auch andere Lebensbereiche als Mode, also z. B. die Frage, ob das Grillfleisch nun tatsächlich nur gut durch oder doch vielleicht bereits verkohlt ist; oder ob der Hund des Hauses, der alle Ankömmlinge erst mal kräftig in die Knöchel zwickt, verspielt ist oder vielleicht doch nur unglaublich schlecht erzogen. Wen man mag, den kritisiert man in Spanien nicht, basta. Auch nicht auf Aufforderung.

Wenn ich also mal eine ehrliche Meinung zum Thema neuer Haarschnitt oder mauvefarbenen Hosenanzügen brauche, dann frage ich allemal besser meine deutschen Freundinnen um Rat. Die haben keine Hemmungen, im Zweifel kein Blatt vor den Mund zu nehmen und mir den Kopf zu waschen. Wofür ich ihnen dann gegebenenfalls auch sehr dankbar bin!

5. Ausgehen

Wenn man sich mit deutschen Freunden, die man nicht gerade erst gestern kennengelernt hat, verabredet, dann doch sehr oft in Form einer Einladung nach Hause. Gegenseitiges Bekochen ist sehr beliebt - je nach Temperament und persönlicher Situation wird dann vielleicht entweder ein Spieleabend, ein Kaffeeklatsch oder eine ambitionierte Küchenshow aus der Sache. Natürlich geht man auch mit deutschen Freunden mal auswärts was trinken oder essen, gemeinsam ins Kino oder zum Fußball oder dergleichen. Aber das Rückgrat jeder langjährigen Freundschaft ist in Deutschland doch eher das wechselseitige Einladen zum jeweils anderen nach Hause - nach wohl ausgewogenem Turnus, damit niemand zu oft kochen und Geschirr spülen muss.

Mit Spaniern ist das anders - wir sind mit etlichen Canarios hier jetzt seit fast vier Jahren befreundet, und zum Teil sind das auch wirklich gute Freundschaften geworden, in denen man viel übereinander weiß und auch nachts um drei problemlos anrufen könnte, wenn die Hütte brennt. Aber dieses gegenseitige Einladen und Bekochen ist hier sehr unüblich - mal im Sommer vielleicht zu einer barbacoa im Freien auf der Terrasse oder im Garten, aber ansonsten trifft man sich eher irgendwo, geht zusammen essen und startet danach (oder anstatt) einen Zug durch die Bars. Wer „dran“ ist, sieht zu, dass er am Schluss die Rechnung ergattert und bezahlt für alle - das funktioniert nach einem fast ebenso ausgeklügelten Turnus wie in Deutschland die Frage, wer als nächster die anderen zu sich nach Hause einlädt. Natürlich müssen sich zumindest zum Schein erst mal alle kurz gegen die Einladung wehren und wild diskutieren, wer nun zahlen darf, aber das ist nur Theaterdonner - in einer festen Freundesrunde ist allen klar, wer die letzten Male die Rechnung übernommen hat und wer nun dieses Mal „gewinnen“ muss, damit die Sache ausgewogen bleibt. (Übrigens noch so ein Unterschied zu Deutschland, wo sich kein Kellner wundert, wenn man zu dritt unterwegs ist und dann jeder getrennt bezahlt. Absolut undenkbar in Spanien!)

Wo wir gerade beim Ausgehen sind: Das Essengehen mit Spaniern und das Essengehen mit Deutschen unterscheiden sich nicht nur bei der Wahl der Location oder dem Bezahlen, sondern auch beim Bestellen fundamental voneinander. Gehe ich mit meinen deutschen Freunden essen, studiert jeder gewissenhaft die Karte (wehe, der Kellner hat eine zu wenig gebracht, dann darf er gleich noch mal losmarschieren!), und wenn auch der Letzte sie auswendig gelernt hat, dann bestellt jeder ein einzelnes Gericht für sich. Das steht gar nicht zur Debatte. Allenfalls fragen die eher Entscheidungsunsicheren im Vorfeld noch mal rum, wer denn nun was zu nehmen gedenkt und orientieren sich in ihrer Wahl dann an den anderen. Und möglicherweise probiert dann, wenn das Essen gebracht wurde, auch mal der eine beim anderen ein Häppchen. Das war‘s aber dann auch schon. Mein Teller, mein Schnitzel.
In Spanien ist gemeinsames Essengehen auch in Sachen Gerichtewahl eine gemeinsame Angelegenheit. Würde ich in kanarischer Runde darauf bestehen, ein Gericht für mich allein zu bestellen und zu verspeisen, würde ich als komischer Kauz schräg angesehen und für einen Spielverderber gehalten werden. Selbst in sehr edlen Restaurants mit gehobenen Preisen wird - sobald der Kellner die Speisekarten bringt - sofort irgendjemand die Frage in den Raum stellen: „¿Pedimos algo para compartir?“ und die einzig mögliche Antwort darauf lautet natürlich: „¡Si, claro!“ Woraufhin alle gemeinsam die Köpfe über der Speisekarte zusammenstecken und in lebhafter Diskussion entschieden wird, welche und wie viele kleine Gerichte man bestellen und miteinander teilen wird. Jeder bekommt einen Teller, ein Besteck, und in der Mitte des Tisches drängeln sich dann zahlreiche unterschiedliche Leckereien, von denen jeder probiert, wie er mag. Das funktioniert so nicht nur bei den weltweit bekannten Tapas - Appetithäppchen, die ohnehin für diese Art des Essens gedacht sind -, sondern auch bei normalen Hauptspeisen und dem Nachtisch hervorragend. In keinem Restaurant wundert sich das Personal darüber, das ist hier vollkommen üblich so. Im Gegenteil: selbst wenn wir nur zu zweit essen gehen und ich vor dem Dessert kapituliere, mein Mann aber noch auf einem polvito uruguayo zum Nachtisch besteht, werden automatisch zwei Gabeln mit auf den Teller gelegt. Nur für den Fall, dass es sich die Dame noch anders überlegt und naschen möchte.

Und noch so ein Punkt zum Thema Ausgehen mit deutschen bzw. spanischen Freunden: die Frage nach Drinnen oder Draußen! Wenn ich mit kanarischen Freundinnen unterwegs bin, gibt es in ihren Augen fast immer einen guten Grund, sich besser nach drinnen zu setzen: entweder es ist zu heiß oder zu kalt, zu windig oder zu staubig, zu früh oder zu spät. Irgendwas ist immer. Außerdem gibt es draußen Fliegen oder - Gott behüte! - Bienen oder Wespen (vor allem, was fliegt, brummt und einen Stachel hat haben selbst meine Tierschutzfreundinnen hier eine geradezu lächerliche Angst). Einen Kaffee oder einen Aperitif kann man meist noch ganz gut im Freien mit ihnen trinken, aber sobald es irgendetwas zu essen gibt, und seien es nur ein paar Tapas, zieht es alle Spanier sofort magisch in Richtung geschlossener Räume. Selbst hier auf Gran Canaria, wo die klimatischen Bedingungen ja nun praktisch rund ums Jahr zum Draußensitzen eigentlich sehr angenehm, um nicht zu sagen ideal sind. Das ist aber egal. Auch in der Familie essen Canarios - abgesehen von der traditionellen barbacoa - einfach lieber drinnen als draußen. Terrassen und Balkone von Canarios sehen deshalb auch oft sehr stiefmütterlich und traurig aus: ein, zwei Plastiksessel, vielleicht noch ein kleiner Tisch, das war‘s. Davon kann kein Gartenmöbelhersteller leben. Ich kenne auch keinen einzigen Canario, der ein Cabrio besitzt. Keinen einzigen!!

Dass wir Besuch aus Deutschland haben, weiß ich, wenn ich dagegen bei Sturm und Regen draußen vor einer Kneipe sitze und krampfhaft meine Serviette festhalte. Denn kommen deutsche Freunde nach Gran Canaria, wird natürlich draußen gegessen, egal, wie das Wetter ist. Dazu ist man ja schließlich in Urlaub gefahren! Ins beste Restaurant, das wir hier kennen, kann ich meine deutschen Gäste leider nie mitnehmen, weil es dort keine Draußensitzmöglichkeit gibt, und damit scheidet das Etablissement in ihren Augen gleich vorneweg aus, egal, wie gut das Essen dort auch sein mag. Lieber eine überteuerte Portion schlechter Pommes an der Strandbar, Hauptsache im Freien! Und wenn ich in Deutschland bin, dann muss ich dort ebenfalls draußen sitzen, sobald sich ein Sonnenstrahl zeigt - auch wenn es, wie gerade jetzt im März wieder - nur zehn Grad auf dem Thermometer hat. Um das zu ermöglichen, verpulvern deutsche Gaststättenbetreiber Unsummen für Freiluftheizkörper, Decken und Lammfelle für ihre Gäste und stellen die Außenbestuhlung mittlerweile quasi rund ums Jahr auf. Und dann muss ich bibbern, kippe - soweit vorhanden - gesundheitsschädliche Mengen Glühwein in mich hinein (noch so eine deutsche Marotte, die kein Canario je begreifen wird: heißer Wein!), ersatzweise Tee oder heiße Suppe, und hoffe inständig, mir nicht schon wieder eine Blasenentzündung einzufangen.

Aber die Gartenmöbelhersteller und Cabriovermieter auf Gran Canaria sind alle total dankbar für den deutschen Freiluftwahn, ehrlich ...