Die Axt im Haus


Der Erwerb eines Eigenheims bringt so mancherlei Herausforderungen und Aufgaben mit sich, die man als Otto Normalverbraucher nicht unbedingt selbst erledigen kann (oder will). Zumindest dann, wenn man nicht ganz besonders handwerklich begabt (und begeistert) ist. Diese Erfahrung hatten wir schon in Deutschland gemacht, als wir uns darauf kapriziert hatten, ein 250 Jahre altes Fachwerkhaus zu kaufen - ohne wirklich im Detail zu bedenken, dass ein solches jede Menge Renovierungs- und Instandhaltungsaufwand bedeutet, der einen zur Verzweiflung (und in den Ruin!) treiben kann und für den man häufig genug auf die Hilfe von Fachleuten angewiesen ist. Diesmal wollten wir schlauer sein und hatten uns auch unter anderem deshalb für unser Häuschen entschieden, weil es erst in den 80er Jahren erbaut und in den vergangenen sechs Jahren von unseren Vorbesitzern auch noch grundlegend renoviert worden war.

Eigentlich hofften wir, den Handwerkern jeder Couleur somit bis auf weiteres erst einmal entkommen zu sein. Wir waren froh darum, schließlich arbeiten wir beide selbständig von zuhause aus. Deshalb registrierten wir beide jedes Mal in der Vergangenheit doch eine gewisse Einbuße unserer Konzentrationsfähigkeit, sobald Menschen mit Vorschlaghämmern oder Bohrmaschinen um uns herumfuhrwerkten, der Laptopbildschirm unter feinem Staub zunehmend undeutlich erkennbar wurde und in unregelmäßigen Abständen jemand den Kopf ins Arbeitszimmer steckte, um danach zu fragen, ob wir wohl frischen Kaffee, ein zusätzliches Verlängerungskabel oder eine Hausratversicherung hätten. Außerdem brachten die Arbeitszeiten der deutschen Handwerker - vorzugsweise ab sieben Uhr morgens, damit sie am Nachmittag auch ganz sicher nicht später als halb vier Schluss machen müssten - den Biorhythmus meines Mannes jedes Mal ins Trudeln. Er ist ein ausgesprochener Nachtmensch und arbeitet eigentlich am liebsten zwischen Mitternacht und Morgengrauen. Dafür sollte man ihn aber dann auch nicht unbedingt vor elf Uhr vormittags mit schwierigen Aufgaben oder mit fremden Menschen behelligen. Schon gar nicht mit fremden Menschen, die Vorschlaghämmer in der Hand halten.

Errare humanum est

Wir zogen also frohgemut in unser neues Zuhause ein. Ein bisschen frische Farbe hier und da, ein paar neue Fliesen auf der Terrasse - das würden wir schon alleine hinkriegen. Dafür brauchten wir keine Handwerker. Und wir könnten es nachmittags oder am Wochenende machen, wann immer wir Lust hätten, und vor allem wenn alle Beteiligten hübsch ausgeschlafen und ansprechbar waren.

Die Freude währte so lange, bis wir beim zuständigen Elektrizitätswerk anriefen, um diesem den Eigentümerwechsel unseres Hauses mitzuteilen. Freundlich, aber bestimmt wurden wir darüber informiert, dass bei einem Verkauf von Häusern, deren Erbauung länger als 20 Jahre zurückläge, zunächst sämtliche Elektroinstallationen von einem staatlich akkreditierten Elektriker überprüft werden müssten. Wenn dieser die Ordnungsmäßigkeit aller Installationen bestätige, bekäme man ein entsprechendes Zertifikat, das wiederum beim Elektrizitätswerk vorzulegen sei, einen boletín. Nur bei Vorliegen dessen sei eine Umschreibung des titular im Stromvertrag möglich.

Wir stöhnten bei der Aussicht auf diese erneute, unerwartete Handwerker-Konfrontation, riefen aber natürlich brav bei dem zuständigen electricista an. Er kam, sah und wiegte bedenklich sein noch vom letzten Arbeitseinsatz grau bestäubtes Haupt. Mit dem Zustand der Installationen innerhalb des Hauses war er zwar zufrieden; hier war wohl alles sehr gut und sorgfältig von unseren Vorbesitzern erneuert worden. Außerhalb des Hauses sah das allerdings anders aus. Die Miene des freundlichen Elektrikers wurde zunehmend düsterer, während er um unserer neuen Besitz herum schritt. Kopfschüttelnd erklärte er uns, der Sicherungskasten für die Außeninstallationen sei lediglich für den Innenbereich gedacht und in keiner Weise wetterfest. Die Zuleitungen zu den Beleuchtungskörpern lägen bloß und seien unzureichend isoliert, von den Steckdosen gar nicht zu reden. Eine der Außenlampen sei überhaupt nicht geerdet - ob wir beim nächsten Regenschauer unbedingt einen Elektroschock bekommen wollten? Und, am gravierendsten: die zentrale Zuleitung, die von der Verteilerstelle in der calle zu unserem Haus führte, sei veraltet und müsse komplett ersetzt werden. Das hieß: Straße aufklopfen, Leitung neu verlegen, Straße wieder zubetonieren. Anderenfalls könne er uns keinesfalls den begehrten boletín ausstellen.

Verunsichert durch die Aussicht auf einen raschen Tod oder zumindest einen Hausbrand beim nächsten Gewitter fragten wir zögernd, was diese Generalüberholung uns denn wohl kosten würde? Der electricista stellte ein paar schnelle Berechnungen an und präsentierte uns dann das Ergebnis: 1.800,- Euro, más o menos, etwa zwei bis drei Arbeitstage, dann sei alles ordnungsgemäß erledigt. Die erste Hälfte zahlbar sofort, die zweite nach Abschluss der Arbeiten. Hatten wir eine Wahl? Wir nickten ergeben, er zog vergnügt von dannen, und wir gingen auf den Schreck erst mal eine Flasche Rotwein köpfen.

Stromleitungs-Bingo unter südlicher Sonne

Nachdem wir eine Woche täglich zum Himmel gestarrt und um trockenes Wetter gebetet hatten, um unserem vorzeitigen Ende durch Stromschlag zu entgehen, traf eines Morgens - immerhin erst um halb neun! - der Angestellte des electricista ein und machte sich ans Werk. Innen fiel der Putz von der Decke, während er außen mit dem Presslufthammer die Straße aufriss und sich fröhlich pfeifend Leitung um Leitung vornahm. Er klopfte und hämmerte, schraubte und bohrte - letzteres leider mit Schwung in die Leitung des Nachbarhauses. Wie sich herausstellte, hält ein überwiegender Prozentsatz spanischer Elektriker (oder spanischer Heimwerker, so genau lässt sich das hier häufig nicht unterscheiden) eine Isolierung elektrischer Kabel bzw. eine Verlegung derselben innerhalb eines Rohres oder Schachtes für eine vollkommen überflüssige Erfindung kontrollzwänglerischer bürokratischer Schreibtischhengste. Ganz Entspannte lassen die Leitungen deshalb sowieso einfach frei außen an der Wand baumeln (was häufig genug zu abenteuerlichem Kabelsalat an den Fassaden von Mehrfamilienhäusern führt). Die Ordnungsliebenderen unter den im Häuserbau tätigen Praktikern dagegen - zu denen unser Nachbar offenbar gehört - versenken die Leitungen in den Boden oder die Wand wie folgt: 1. Wand aufklopfen, 2. Leitung reinstopfen und 3. dortselbst dann unter Zuhilfenahme einer Ladung Zements einmauern. Anstreichen - fertig. Selbstverständlich ist es unnötig, den Leitungsverlauf irgendwie zu kennzeichnen - wozu auch? So eine Markierung stellt schließlich eine optische Beeinträchtigung der ja gerade erst unter großen Mühen schön gestalteten Fassade dar. Wer interessiert sich schon für Leitungsverläufe? Hm?

Aufgrund dieser spanischen Technik der Leitungsverlegung entwickelte sich die Arbeit unseres electricista zu einem heiteren Such-und-Finde-Spiel, einer Art Stromleitungs-Bingo. Auf der Strecke, an der unser Grundstück an das Nachbarhaus grenzt, und die etwa zehn Meter beträgt, gelang es ihm, die Leitung des Nachbarn nicht weniger als dreimal mit seinem Bohrer zu treffen - eine reife Leistung, wie wir fanden. Jeder Treffer hatte natürlich eine längere Arbeitspause an unserem Projekt zur Folge, die mit zahlreichen Kraftausdrücken - ¡mierda! - ¡joder! - ¡me cago en la leche! - und noch mehr hektisch gerauchten Zigaretten gefüllt werden musste, bevor die Leitung des Nachbarn jeweils umständlich wieder geflickt wurde. Überhaupt habe ich bei der Beobachtung spanischer Handwerker jetzt mehrfach die Beobachtung gemacht, dass Raucher zu sein wohl zu den Ausbildungsvoraussetzungen gehört. Bis auf eine einzige Ausnahme frönten alle, mit denen wir bisher zu tun hatten, diesem Laster. Es ist aber auch wirklich unabdingbar, da ein wesentlicher Teil der Arbeitszeit offenbar immer damit verbracht werden muss, mit einer Zigarette in der Hand vor der Baustelle zu stehen. Dabei ist man dann entweder in Gedanken an den soeben erledigten oder gleich zu erledigenden Arbeitsschritt versunken. Oder aber auch - sofern vorhanden - in eine wort- und gestenreiche Diskussion mit dem Kollegen oder Gehilfen über wichtige Themen wie den neuen Freund der Cousine oder die unverschämten Preise des neuen Metzgers im Ort verstrickt. Das hängt von der jeweiligen Situation und der persönlichen Tagesform des Handwerkers ab. Die Zigarette an sich aber ist eine conditio sine qua non - die ich im Laufe der Zeit ziemlich zu verabscheuen gelernt habe, da es das Selbstverständnis des kanarischen Handwerkers offenbar verbietet, so eine weibische Erfindung wie einen Aschenbecher zu benutzen, selbst wenn dieser demonstrativ direkt vor seiner Nase postiert wird. Stattdessen gebietet es die Tradition, dass die Zigarettenstummel in Blumenkästen, Beete oder auch einfach direkt auf den Fußboden entsorgt werden müssen. Ob das etwas mit Reviermarkierung zu tun hat?

Das mit den zwei bis drei Tagen Arbeitszeit haute dann jedenfalls nicht ganz hin - insgesamt war der nette electricista neun Tage bei uns zugange, ehe alles zu seiner Zufriedenheit gelöst war. Die Zeitverzögerung hatten neben dem heiteren Stromleitungs-Bingo auch diverse Noteinsätze anderenorts verschuldet, zu denen der arme Mann zwischendrin per Handy abberufen worden war. Welcher Art genau diese Notfälle jeweils waren, die ihn jedes Mal das Werkzeug aus der Hand fallen und eilig davonstürzen ließen, haben wir nicht herausgefunden - wir stellten uns meist ein armes altes Mütterchen fernab menschlicher Zivilisation vor, deren einzige Stromleitung nächtens vom Marder durchgenagt worden war und die sich nunmehr weder ein Süppchen wärmen noch ihr Sauerstoff-Beatmungsgerät anschließen konnte. Möglicherweise hatte er aber auch nur den Termin für das Handballspiel seines Sohnes oder die Geburtstagsfeier seiner Tante falsch im Kopf gehabt. Erstere Erklärung half uns aber, unsere Frustration angesichts der Verlängerung leichter zu ertragen, deshalb hielten wir lieber an ihr fest.

Ablaufschwierigkeiten

Schließlich war es geschafft, und wir glaubten, damit nun aber wirklich erst einmal Ruhe vor Handwerkern im Haus zu haben. Aber es sollte nicht sein. Wenige Tage nach dem Stromleitungs-Bingo stand ich unter der Dusche und schaute irritiert auf meine Füße. Oder besser gesagt: auf die Stelle, wo meine Füße hätten sein sollen. Da waren sie aber nicht. Zumindest nicht sichtbar. Stattdessen türmte sich eine Menge weißer Schaum in der Duschtasse und das Wasser stieg bedrohlich in Richtung Rand. Ich drehte hastig den Hahn zu und rief - wie ich es in allen Fällen, die Technik, Ungeziefer und ähnliche Unannehmlichkeiten betreffen, zu tun pflege - nach meinem Mann: „Das Wasser läuft nicht ab!“

Mein Mann kam, sah sich die Bescherung an und beschloss angesichts der Tatsache, dass Sonntag war, die Sache erst mal selbst in die Hand zu nehmen. Mit Gummistopfen, Abflussreiniger und einer langen Drahtspirale machte er sich zuversichtlich ans Werk und schaffte es tatsächlich nach ein paar Stunden angestrengten Herumhantierens, das Wasser wieder zum Abfließen zu bringen. Zwar deutlich langsamer als zuvor, aber doch. Ich hütete mich, meine Zweifel ob der Nachhaltigkeit dieser Lösung allzu deutlich zum Ausdruck zu bringen. Männer werden nicht gern kritisiert, wenn sie handwerken, da stellt meiner keine Ausnahme dar. Eigentlich wird er überhaupt nicht gerne kritisiert, wenn ich so drüber nachdenke. Meine zaghafte Frage, ob wir nicht sicherheitshalber am Montag doch noch einen Klempner rufen sollten, ehe das Ganze wieder ins Stocken geriet, beantwortete er mit einem längeren Vortrag über Rohrleitungsgefälle in Spanien im allgemeinen und unserem Haus im besonderen. Ich erhielt genaue Anweisungen, wann ich die Waschmaschine zu benutzen hätte und wann nicht (nämlich nicht morgens, nachdem bereits zwei Personen gerade erst Toilette und Dusche benutzt hätten, sondern erst nachmittags, nachdem das dabei geflossene Wasser genügend Zeit gehabt hätte, die Leitungen wieder zu räumen). Das feuchte Toilettenpapier, das wir - in Ermangelung eines Bidets - zu benutzen pflegten, wurde unter Bann gestellt und durch eine am WC angebrachte Handbrause ersetzt. Damit, so mein Mann zuversichtlich, müsste das Verstopfungsproblem (der Leitung, nicht der Benutzer!) eigentlich behoben sein.

Das Verstopfungsproblem lauschte seinen lichtvollen Ausführungen interessiert, lachte sich halb tot und wartete heimtückisch bis zum folgenden Wochenende, um erneut aufzutauchen. Mein Mann stellte mich, noch ehe ich aus der sich wieder bedrohlich mit Wasser füllenden Duschtrasse flüchten konnte, und unterzog mich gleich vor Ort einer hochnotpeinlichen Befragung. Hatte ich mich etwa dreist über seine gestrengen Zeitvorgaben hinsichtlich der Waschmaschinenbenutzung hinweggesetzt? Hatte ich hinterrücks Abschmink-Pads oder gar benutzte Tampons in der Toilette entsorgt und so einen neuen Rückstau provoziert? War ich gar so weit gegangen - Gott behüte! - gebrauchtes Katzenstreu in die Toilette zu kippen? Glücklicherweise - schließlich habe ich einen Universitätsabschluss, wenn auch in Geisteswissenschaften, und bin vom Intellekt her deshalb durchaus in der Lage, einfache technische Zusammenhänge wie: „enges Rohr = leicht verstopft“ zu verstehen, wenn man sie mir langsam und gegebenenfalls noch mit einer schematischen Zeichnung erklärt - hatte ich nichts dergleichen getan. Anderenfalls hätte ich wahrscheinlich um den Fortbestand meiner Ehe fürchten müssen. Nachdem ich die Inquisition unbeschadet überlebt hatte, wagte ich vorsichtig noch mal, den Begriff „Installateur“ in den Mund zu nehmen. Doch da Männer bekanntlich freiwillig weder nach dem Weg fragen, noch Handwerker anrufen, solange sie glauben, ein anfallendes Problem innerhalb der ihnen zustehenden Lebenszeit alleine lösen zu können, kaprizierte sich der Meine auch diesmal auf die selbständige Durchführung der olfaktorisch recht herausfordernden klempnerischen Aktivitäten. Seine Laune passte sich aromatisch schnell dem aus der Kanalisation aufsteigenden Duft an. Ich floh nach nebenan und bat bei unserer finnischen Nachbarin darum, ihre Toilette benutzen zu dürfen.

Always Coca-Cola!

Am Tag darauf - der Abfluss funktionierte wieder, widerwillig zwar, aber zumindest ansatzweise - beriet mein Mann sich mit unserem electricista, der gerade erschienen war, um den boletín vorbeizubringen. Wissend nickte dieser und hatte auch - wie alle spanischen Männer übrigens zu jedem Thema unter der Sonne! - zu unseren Sorgen einiges zu sagen: ja, diese zu engen Leitungen gebe es auf ganz Gran Canaria. Wohl jeder habe damit ab und zu Probleme. Es gäbe aber ein ganz einfaches, todsicheres Mittel, selbst schlimmste Verstopfungen zu beseitigen. Mein Mann horchte interessiert auf. Eine Zweiliterflasche Coca-Cola, so dozierte der selbst ernannte Fachmann in Abflussfragen, löse jeden Pfropfen zuverlässig auf. Man müsse diese nur heftig genug schütteln, vorsichtig umdrehen und dann sozusagen in die Leitung hinein „explodieren“ lassen - ¡plopp - ya está! Er unterstrich die Einfachheit der Lösung mit einigen energischen Handbewegungen, und mein Angetrauter eilte, von soviel Kompetenz beeindruckt, in den nächsten Supermarkt, Cola kaufen. Ich schickte derweil eine E-Mail an meine Literaturagentin und bat sie, mich in guter Erinnerung zu behalten, falls sie nichts mehr von mir hören würde. Denn dann hätten die beiden Herren in ihren vereinten Bemühungen, den Abfluss freizukriegen, vermutlich das Haus und uns alle mit in die Luft gesprengt.

Cola also. Man lernt halt nie aus. Ich wusste zwar um ihre hilfreiche Wirkung bei Erbrechen, aber dass sie auch als Abflussreiniger funktionieren sollte, hatte ich noch nie gehört. Genau genommen tat sie das dann auch nicht wirklich. Es dampfte und rauchte zwar nicht, wie ich befürchtet hatte, aus dem Bad, aber ein heftiges männlich-spanisches Wortgefecht über dem Abflussrohr ließ mich kurz darauf doch ahnen, dass das Experiment misslungen sein musste. Wahrscheinlich ganz gut, dass ich nur einen Bruchteil der Diskussion verstehen konnte. Ich hielt vorsichtigen Abstand zum Geschehen und begann mich zu fragen, ob die Cola vielleicht zusammen mit dem Pfropfen auch gleich das ganze Plastik vom Rohr mit aufgelöst hätte? Wer konnte schon wissen, von welcher Qualität kanarische Rohrleitungen überhaupt waren und ob sie der zersetzenden Wirkung von amerikanischen Erfrischungsgetränken dauerhaft Stand halten würden? Da gab es doch immer diese Legende von dem Steak, das sich - über Nacht in Cola eingelegt - aufgelöst haben soll? Nun, macht ja auch nichts, sinnierte ich philosophisch, dann geh ich halt zusammen mit unserer Katze ins Gesträuch. Neben unserem Garten fängt schließlich gleich das Naturschutzgebiet an. Wer braucht schon ein Klo mit Wasserspülung, alles bloß spätrömische Dekadenz!

Rohr frei mit El Elefante!

Ehe es zum Äußersten kam, knickte mein Mann dann doch ein und telefonierte nach einem Fachmann. Er rief die desatascos an, eine Firma, die sich auf Rohrreinigungen spezialisiert hat und die - dem dicken Mercedes des eintreffenden Experten nach zu schließen - offensichtlich aufgrund der engen spanischen Rohrleitungen regelmäßig gute Geschäfte macht. Ein unbeirrbar gut gelaunter canario kam nach unserem Hilferuf relativ schnell und leistete nach einer kurzen Bestandsaufnahme auch fix ganze Arbeit: Das Klo wurde abgeschraubt und eine große Maschine herangeschleppt, die - neben einem ohrenbetäubend lauten Motor - vor allem aus einem dicken, langen Stahlkabel bestand. Jetzt war mir auch klar, warum die Firma den schönen Namen El Elefante trug! Vergnügt plaudernd und vollkommen unbeeindruckt durch den infernalischen Gestank, der das ganze Haus durchzog, jagte der Spezialist den „Elefantenrüssel“ zehn Meter weit durch unsere Kanalisation. Der Motor stampfte, das Haus wackelte, der Putz bröckelte wieder mal und unsere arme Katze floh entsetzt in die angrenzende Botanik. Zwischendrin unterbrach der Fachmann ab und zu sein Tun, um sich wie einst Winnetou flach auf den Boden zu werfen und das Ohr an selbigen zu drücken - allerdings nicht, um nach fernem Pferdegetrappel zu lauschen, sondern um den genauen Rohrverlauf ausfindig zu machen. War er zufrieden mit dem, was er da hörte, kehrte er zu seinem Elefanten zurück und warf den Motor wieder an.

Als sich der Rüssel wieder aus den Tiefen der tubería nach oben wand, ließ er unser Bad in einem desolaten, von oben bis unten verspritzten Zustand zurück. Ich war froh, dass es bis unter die Decke gekachelt war - wäre es, wie unser altes Bad in Deutschland, nur verputzt gewesen, wir hätten neu streichen müssen. So lief es „nur“ auf eine mehrstündige Putzaktion mit Desinfektionsmittel im Anschluss an die Maßnahme hinaus. Mit dem Auftauchen des Rüssels kamen viele sehr, sehr unschöne Dinge, zu Tage, die aber - dem fachmännischen Urteil und der forensischen Beweislage zufolge - eindeutig nicht von uns stammen konnten, weil sie älteren Datums sein mussten. Außerdem konnten wir uns beim besten Willen nicht vorwerfen, Stoffreste und dergleichen ins Klo geworfen zu haben. (Wie uns später von anderer Seite erklärt wurde, spülen viele Spanier ihren Wischmopp oder Wischlappen nach getaner Arbeit gerne in der Toilette sauber, und dabei kann es dann schon einmal passieren, dass er versehentlich mit runtergespült wird.) Unser feuchtes Toilettenpapier, das wir als Wurzel allen Übels die ganze Zeit in Verdacht gehabt hatten, wäre allein wahrscheinlich nicht mal ein Problem gewesen. Der immer noch fröhliche Elefantenbesitzer versicherte uns, wir könnten es wieder unbedenklich benutzen. Nach dieser traumatischen Erfahrung allerdings würden wir es sicher nicht wieder drauf ankommen lassen!

Bevor der Elefant und sein Herrchen abzogen, bestätigten sie uns schriftlich, dass die Kanalisation unter unserem Haus jetzt klinisch rein sei. Wir bekamen sogar eine Garantie darüber, die uns berechtigte, innerhalb des kommenden Monats eventuell nötige Nachbesserungen kostenlos abzurufen. (Darauf mussten wir später tatsächlich zurückkommen, da zehn Meter wohl doch zu wenig gewesen waren - erst, nachdem der Elefantenrüssel ein paar Tage später noch einmal weitere fünf Meter tubería freigeschnaubt hatte, war das Problem endgültig aus der Welt geschafft. Aus Erfahrung klug geworden, klebte ich allerdings diesmal vorher das gesamte Bad mit Abdeckfolie zu und ersparte mir damit einiges an Putzarbeit!)

320,- Euro hatte uns der Spaß dieses Mal gekostet, aber um ehrlich zu sein - ich hätte eine solche Arbeit auch nicht um den doppelten Preis den ganzen Tag machen wollen! Wie schaffte es der Mann bloß, trotz des furchtbaren Gestanks und der wahrlich unschönen Ergebnisse seiner Arbeit die ganze Zeit fröhlich zu sein und Witzchen zu reißen? Und wie gelang es ihm, nach getaner Arbeit nach Hause zu kommen und - die Bilder des Tages im Kopf und den dazu gehörenden Geruch in der Nase - mit Appetit sein Abendessen zu vertilgen? Denn dass er das irgendwie hinbekam, konnte man an seinem Kugelbäuchlein unschwer erkennen. Dabei hatte er nicht mal eine Zigarette dabei gehabt! Es blieb uns schleierhaft, aber wir waren froh und dankbar, dass es ihn gab und gönnten ihm seinen dicken Mercedes von ganzem Herzen. Ich bewahrte Rechnung und Telefonnummer des freundlichen Helfers sorgfältig auf und registrierte zufrieden, dass er auch sonntags für Notfälle erreichbar war. Man konnte ja nie wissen.