Mandelblüten und Bienmesabe - Frühling auf Gran Canaria!


mandelbluete
Dieser Tage bin ich in einem deutschen Auswandererforum über einen Eintrag gestolpert, der meine Wochenendpläne postwendend Makulatur hat werden lassen: „Die ersten Mandelbäume blühen im Landesinneren.“ Ein Satz nur, reicht aber, um bei mir sofort das dringende Bedürfnis auszulösen, ins Auto zu springen und loszufahren. Wer die Mandelblüte in den Bergen von Gran Canaria noch nie erlebt hat, hat wirklich etwas verpasst - und das sage ich, obwohl ich immerhin zwölf Jahre an der Weinstraße in der Pfalz gelebt habe, wo die rosa-weiße Blütenpracht rund um Gimmeldingen ja auch jedes Frühjahr wunderschön leuchtet. Aber die Mandelblüte hier in den Bergen ist trotzdem noch mal ein ganz anderes Kaliber.

Besonders macht sie in meinen Augen zum einen, dass sie so früh im Jahr stattfindet - der Januar ist noch keine zwei Wochen alt; um diese Jahreszeit kann man in Deutschland selbst an der Weinstraße von Mandelblüten natürlich nur träumen. Zum anderen stehen die Mandelbäume an der Weinstraße in dicht besiedelten Gebieten im Flachland; sie werden gehegt und gepflegt und sind Teil einer sorgfältig angelegten Kulturlandschaft. Die Mandelbäume auf Gran Canaria dagegen wachsen wild und ungestüm auf steilen Berghängen; und mit ihren zarten, duftigen Blüten bilden sie einen unvergleichlich reizvollen Kontrast zu den schroffen, kargen Felswänden, die sie umgeben. Viele der Bäume sind über hundert Jahre alt und tragen immer noch Früchte! Und last but not least sind die Mandeln hier - vor allem im Gebiet rund um den Ort Tejeda - integraler Bestandteil der lokalen Küche; keine exotische Spielerei bzw. geschickter Marketingkniff des Tourismus wie an der Weinstraße.

Tejeda liegt südwestlich von Las Palmas im Landesinneren, inmitten eines zerklüfteten Bergmassivs (die Caldera de Tejeda), deren höchster Punkt gleichzeitig ein Wahrzeichen der Insel ist: der über 1800 Meter hohe Roque Nublo (der „Wolkenfels“). Entstanden ist diese Landschaft vor ca. 14 Millionen Jahren, und natürlich ist sie wie die ganze Insel vulkanischen Ursprungs. Über die Caldera de Tejeda schrieb der spanische Schriftsteller und Philosoph Miguel de Unamuno y Jugo: "Von steilen Pfaden an abrupten und jähen Klüften schauen wir auf das Tal von Tejeda. Der Anblick ist überwältigend: All diese schwarzen Mauern der großen Caldera mit ihren noch aufragenden Felsen, mit Bergkämmen, die wie Zinnen wirken, erwecken den Eindruck einer dantesken Vision. Nichts anderes können die Calderen des Infernos gewesen sein, die der Florentiner besuchte: Ein fürchterlicher Tumult der Eingeweide der Erde! All dies gleicht einem versteinerten Ungewitter.“

Einmal im Jahr aber, im Januar und Februar, verliert diese tempestad petrificada all ihre Rauheit und Wildheit und verwandelt sich in ein charmantes rosa-weißes Blütenmeer. Dann rüstet sich das hübsche Bergdorf Tejeda für einen dreitägigen Besucheransturm, der seinesgleichen sucht: die Fiesta del Almendro en Flor, das Mandelblütenfest. Es gilt als eines der schönsten und traditionsreichsten Feste der Insel, und auch wenn andere Gemeinden mittlerweile ebenfalls Mandelblütenfeste feiern, so kann doch keines davon wirklich mit dem von Tejeda mithalten, das es schon seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts gibt. Die Einheimischen tragen die typische kanarische Tracht, die Straßen sind voller Stände und Verkaufsbuden, wo die örtlichen Spezialitäten (natürlich mit der Mandel im Mittelpunkt!) angeboten werden, und die regionalen Musikgruppen spielen an allen Ecken zum Tanz auf. Ein Kunsthandwerker- und ein Bauernmarkt laden zum Besuch ein, und wer mag, kann mal probieren, wie es sich auf einem Eselchen so reitet. Angst vor Menschenmassen sollte man besser nicht haben, und die Parkplatzsuche kostet einen viel Geduld, denn jedes Jahr strömen Tausende von Besucher in das kleine Bergdörfchen, und hier ist man einfach nicht so gut organisiert und strukturiert wie an der Weinstraße ... da kann es schon mal etwas chaotisch und turbulent zugehen. Aber der Ausflug lohnt sich hundertprozentig! Menschen mit empfindlichem Magen sollten allerdings über die Einnahme einer Reisetablette vorab nachdenken - die Strecke nach Tejeda ist extrem kurvenreich, führt oft an ziemlichen Abgründen entlang, und wer zu Reiseübelkeit neigt, wird bei der Ankunft am Ziel vermutlich weder Hunger auf Mandeln noch sonst viel Lebensfreude empfinden ... Wer nicht sowieso welche im Gepäck hat, kann in der Apotheke nach „Biodramina“ fragen - rezeptfrei erhältlich, bei mir zumindest wirken die prima.

Wer es ruhiger mag, kann Tejeda und Umgebung natürlich auch außerhalb der drei Festtage während der Mandelblüte besuchen; man hat ja mehrere Wochen dafür Zeit. Da die Bäume so hoch oben stehen und das Klima um diese Jahreszeit noch recht frisch dort ist, halten die Blüten lange - auch ein Vorteil gegenüber der Mandelblüte an der Weinstraße, die sich ja oft in einem einzigen kurzen Rausch von nur zehn oder vierzehn Tagen erschöpft. Auch wir bevorzugen in der Regel einen Tag, an dem die Straßen nicht gerade vor Menschen aus allen Nähten platzen, um das Naturschauspiel zu bewundern.

Man hat jenseits des Mandelblütenfests auch eher die Chance, in der berühmten, aber winzigen Dulceria Roque Nublo in Tejeda einzukaufen. Sie liegt direkt an der Einfallstraße in den Ort und ist ganz leicht zu finden. Touristennepp gibt es hier nicht, trotz ihrer riesigen Bekanntheit, denn hier kaufen außerhalb der Mandelblütensaison vor allem die Einheimischen, und die zu verärgern, kann sich kein Ladenbesitzer hier oben leisten. Viele canarios kommen von weither, sogar von den anderen Inseln, um ihre Mandelspezialitäten zu besorgen - häufig mit ganzen Sammelbestellungen von Freunden und Nachbarn in der Tasche, damit sich die weite Fahrt auch lohnt. Das kleine Lädchen gibt es seit 1948, und genau so lange ist es auch in Familienbesitz. Pro Jahr werden hier 70.000 Kilo Mandeln zu unwiderstehlichen Leckereien verarbeitet. Unbedingt probieren sollte man die bekannteste Mandelspezialität, das Bienmesabe - wörtlich übersetzt: „es schmeckt mir gut“ (eine dickflüssige Creme aus gemahlenen Mandeln, Zimt, Zitronenschalen, Eigelb und Zucker). Es wird hier sehr gerne in Süßspeisen und Desserts verwendet (meine Lieblingsvariante ist eine Kombination mit Joghurt!), man kann es aber auch, wenn man gerne süß frühstückt, als Marmelade- oder Nutellaalternative auf Brot oder Brötchen streichen. Außerdem sehr zu empfehlen natürlich die verschiedenen Variationen von mazapanes, Marzipan, aber auch Mandelpralinen, Mandelbrot, Mandelkekse und alles andere ... bei einem Einkauf in der Dulceria Roque Nublo ist eine Enttäuschung wirklich schlicht ausgeschlossen!

Übrigens wachsen rund um Tejeda sowohl Süß-, als auch Bittermandelbäume. Was ich vorher nicht wusste (obwohl ich mich fürs Gärtnern ja schon immer interessiere): Man weiß bei der Pflanzung eines Mandelbaumes offenbar vorher in der Regel nicht, ob er Süß- oder Bittermandel tragen wird, sondern erst, wenn er das erste Mal eine Ernte liefert, da die Bäume sich äußerlich praktisch nicht unterscheiden. Manchmal trägt sogar ein- und derselbe Baum süße und bittere Mandeln. Es läuft also darauf hinaus, zu pflanzen und dann, wenn es so weit ist, in die ersten Mandeln reinzubeißen - eine richtige kleine Wundertüte der Natur! In der Kosmetik wird das Mandelöl ja gerne auch zur Hautpflege eingesetzt, habe ich mir erklären lassen. Nachdem ein Einwohner von Tejeda steif und fest behauptete, dass man nur täglich eine Bittermandel kauen müsse, um Diabetes zu heilen (was mir dann doch etwas naiv erschien), bin ich auch zum gesundheitlichen Aspekt mal recherchieren gegangen und habe verblüfft diese Studie hier entdeckt: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20833991 Tatsächlich scheinen Mandeln den Stoffwechsel derart zu beeinflussen, dass bereits nach einer viermonatigen "Mandel-Diät" die Insulinsensitivität verbessert werden kann! "Mandel-Diät" bedeutet in diesem Kontext allerdings, dass 20 % des täglichen Kalorienbedarfes in Form von Mandeln verzehrt wird. Man müsste also nicht nur eine Bittermandel pro Tag essen, sondern etwa 60 bis 80 Gramm Mandeln täglich; und als Heilung von Diabetes kann man das, denke ich auch nicht wirklich bezeichnen. Trotzdem war ich doch sehr überrascht, diese Aussage, die ich eher unter der Rubrik „uriger Volksglaube“ abgelegt hatte, auf diese Weise zumindest tendenziell wissenschaftlich untermauert zu sehen! Wobei es sich dabei natürlich um „Mandeln pur“ handelte - ich nehme mal an, der Effekt wird durch den hohen Zuckergehalt von Leckereien wie Bienmesabe oder Marzipan dann doch wieder korrumpiert ... aber hey, vielleicht wenn man genug davon isst ...

Für alle, die jetzt Lust auf eine Mandelsüßigkeit bekommen haben, aber nicht gerade in der Nähe von Tejeda sind, hier das Rezept von Bienmesabe zum Selbermachen! Geht ganz leicht und ist wirklich eine nette Abwechslung vom üblichen Nutella-Marmelade-Frühstückseinerlei. Und auch auf Joghurt oder Vanilleeis wirklich unschlagbar ... ¡Que aproveche!

Rezept Bienmesabe

  • 500 gr süße Mandeln
  • 750 gr Zucker
  • 3 Eigelb
  • 500 ml Wasser
  • Schale einer unbehandelten Zitrone
  • 1 - 2 TL Zimt nach Geschmack

Die Mandeln kurz in kochendes Wasser geben, dann mit kaltem Wasser abschrecken und die Schalen abziehen. (Wer faul ist, kann natürlich auch schon geschälte Mandeln kaufen!) In einer Pfanne ohne Öl unter ständigem Wenden leicht anrösten. Nicht zu fein mahlen (fertig gekauftes Mandelmehl ist meistens schon zu fein).

Das Wasser erhitzen und den Zucker einrühren. Bei mittlerer Hitze langsam einkochen, bis die Masse eine sirupartige Konsistenz erreicht. Die Mandeln, die geriebene Zitronenschale und den Zimt langsam in das Zucker-Wasser-Gemisch einrühren und alles einmal aufkochen. Abkühlen lassen.

Die Eigelbe gut verquirlen, unter die Masse ziehen, diese dabei vorsichtig und schrittweise wieder erwärmen. Dabei ständig rühren! Alles einmal kurz aufkochen, dann kalt stellen.


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